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Zwischen Ockensen und Wallensen

Die zwischen Ith und Thüster Berg liegende Tour beginnen wir am Parkplatz beim Wasserbaum Ockensen und damit auch gleich mit einer der bemerkenswertesten Sehenswürdigkeiten.

bemosster Wasserbaum aus dem es heraussprudelt

Entstanden ist er quasi aus Bequemlichkeit und das schon um 1904. Der Sägewerkbesitzer Hermann Meyer betrieb eine Turbine mittels Wasserkraft aus den oberhalb des Grundstückes liegenden Teichen, die aus dem Quellgebiet des Iths gespeist wurden. Das funktionierte aber nur mit ausreichend Wasserdruck und um den Wasserstand zu überprüfen, hätte er jedes Mal zu den Teichen gehen müssen. War ihm aber zu mühsam, und so baute er einen Überlauf mittels Holzrohr, aus dem das Wasser oben heraus sprudelte, was er von seinem Haus aus sehen konnte. Das ursprüngliche Holzrohr wird mittlerweile verfault sein aber das sehr kalkhaltige Wasser vom Ith hat über die Jahre ein Kalkrohr drumherum gebildet, welches immer neu von Moos und Flechten überwuchert wird und so sprudelt er auch heute noch fröhlich vor sich hin.

Kalkablagerungen und Mosse im unteren Teil

Wir folgen dem Feldweg in süd-östlicher Richtung und laufen so an der Flanke des Iths entlang bis wir die Häuser von Hakenrode sehen. Über diese offensichtlich sehr alte Hofanlage gibt es online leider nicht viel zu finden, wäre mit Sicherheit spannend. Wir überqueren die Hakenroder Straße und folgen dem Feldweg noch ein Stückchen bis ein Grasweg nach links oben zum Hügel abzweigt. Nicht zum ersten Mal fragen wir uns, warum es hier so einen dänisch anmutenden Grabhügel gibt, der eigentlich gar nicht in die Landschaft zu passen scheint. Es ist zwar in dürftiger Chronik von einer ehemaligen Wallanlage im Ort zu lesen, aber diese soll eher östlich des Ortes gelegen haben. Egal. Nach einem büschen steilem Anstieg gibt es da oben Aussicht und Rundum Blick satt. Ein Vermessungstein (?) mit einem Rosenbusch und einzelnen Steinen zeugt davon, dass der Platz öfter aufgesucht und geschätzt wird – kein Wunder.

Vermessungsstein auf dem Hügel

Richtung Ort gehen wir weiter einen Bergkamm entlang und haben schöne Sicht auf den gegenüber liegenden Thüster Berg. Nach einigen kleinen Wäldchen und hohen Hecken kommen wir zu einer Wiese, auf der schon von weitem eine rote Backsteinmauer zu entdecken ist: der jüdische Friedhof von Wallensen.

Backsteinmauer mit einzelnem Grabstein

Erstmals werden im Ort ab 1811 Juden erwähnt. Damals lebte Bendix Hirsch in Wallensen, später die Familien Blank, Steinberg und Heilbronn. Hier einige Auszüge aus deren Lebensgeschichten: Paula Blanck wurde 1887 hier geboren, war Bibliothekarin an der Landesbibliothek in Hannover und flüchtete 1939 nach Israel. Gertrude Blank, 1892 geboren, organisierte noch 1939 die Kindertransporte nach England und emigrierte auch nach Israel. Albert Blank gründete mit einem Hamelner Textilkaufmann eine Teppichfabrik, welche unter dem Druck der Nationalsozialisten 1934 an Nichtjuden verkauf werden musste. 1936 gelang der Familie über Holland die Flucht nach England. Seine Enkelin Barbara Andrusz besuchte 2011 den Ort und die dortige Ausstellung über das jüdische Leben in Wallensen.

schmiedeeisernes Tor des Frieshofes mit Davidstern

Zurück zu unserem Friedhof: ein einzelner, großer schwarzer Grabstein aus Marmor ist vorhanden. Lange soll er in Einzelteilen am Boden gelegen haben und wurde 2008 wieder aufgebaut. Älteren Fotos nach zu beurteilen, war der Friedhof vor einigen Jahren noch von hohen Bäumen umwachsen, jetzt ist es ringsherum und auch innerhalb des kleinen Bereiches etwas trostlos und kahl aber vielleicht (und hoffentlich) ist hier noch etwas geplant. Der Stein gedenkt Siegfried Steinberg, 1917 mit Anfang 50 früh gestorben. Seine Witwe Ida führte das Geschäft des Kaufmannes und Kornhändlers mit mehreren Angstellten weiter und konnte es bis in die frühe NS-Zeit halten. Laut Sterbelisten 1844-1889 wurden auch mehrere Mitglieder der Familie Blank hier begraben aber Steine sind nicht erhalten, weitere Grabsteine sollen auch in eine Brücke verbaut worden sein. Antisemitsche Ausschreitungen sind in Wallensen nicht bekannt und jüdische Opfer seien nicht zu beklagen (was wohl am ehsten der recht frühen Abwanderung der Familien geschuldet ist)

Kleine Randbemerkung: ohne die unermütliche Aufarbeitung und Dokumentation von Herrn Bernhard Gelderblom aus Hameln gäbe es wohl auch hier weder Infotafel auf dem Friedhof, noch Ausstellung im Heimatmuseum, ausführliche Literatur Online und in Buchform.

Wir gehen weiter über die Wiese Richtung Ort und kommen an einem Kriegerdenkmal vorbei. Eigentlich haben wir nicht so viel Interesse an dieser Art Denkmäler aber dieses ist in seiner Ausführung schon recht außergewöhnlich und sehenswert schon alleine aufgrund der exponierten Lage.

Hohes Steinkreuz vor einem Sarkophag, im Hintergrund weiteres Denkmal

Nur kleines Stückchen weiter geht ein kleiner Pattweg zwischen den Gärten hindurch nach unten in den Ort. Über einige Steinstufen kommen wir auf die Straße Über dem Hagen, der wir ein kurzes Stück nach links folgen um kurze Zeit später einem schmalen gepflasterten Pfad nach rechts zu folgen. Nun sehen wir schon die Kirche Sankt Martin.

Blick vom alten Friedhof (das imposante Pfarrhaus aus Fachwerk im Rücken) auf das Kirchenschiff

Die frühere Archidiakonats-Kirche (Stellvertretung für residierenden Bischoff) wurde wie der Ort selbst 1068 erstmals urkundlich erwähnt. Der Chronik nach soll schon um 900 von Wunstorf aus hier eine Kirche gegründet worden sein. Wohl um 1200 soll der Ort einen neuen Kirchenbau erhalten haben, von dem der Chorraum (Bereich um Altar herum) und Apsis (halbkreisförmiger Anbau, außen sichtbar) noch heute erhalten sind. Leider konnten wir sie nicht von innen besichtigen aber auf dem Friedhof sind einige interessante Grabsteine aus dem 19. Jahrhundert erhalten, wie der von der kleinen Anna, deren Abbild darauf zu sehen ist.

Grabstein mit plastischer Figus aus Stein gemeißelt

Und die in Teilen erhaltene Grabplatte von Pastor Johann Selken, der 1598 an der Pest starb.

Pastor mit Talar und Bibel

Nachdem wir noch die nette Katze begrüßt haben, die wohl in der Alten Schule (buntes Fachwerk) wohnt, geht es der Hauptstraße folgend durch den Ort weiter, vorbei an dem Bereich des ehemaligen Stadttores bis wir vor dem Bach Saale links in den Weg Glockensee biegen. Ob die durch dichtes Strauchwerk versteckten Tümpel einige hundert Meter weiter der Glockensee sind, ist zu vermuten (aber leider auf Karten nicht so verzeichnet). Aus einer Chronik von 1744 ist zu lesen: „Nachdem die Saale etwa zweihundert Schritte vom Niederntor ihren Lauf genommen hat, wird dieselbe verstärkt durch den Linnen-Brunnen. Dieses Wasser bedienen die Einwohner zu Wallensen zur Reinigung ihrer Wäsche und Leinen-Geräthe. Ehe aber das Wassser des Linnen-Brunnens zur Saale sich kehret, bekommt dasselbe noch einen Zuwachs aus dem Glocken-Brunnen, welcher unergründlich, auch in eben diesen Wiesen im Hagen herfür quillet, und mit demselben vereiniget, lenket er sich bald zu Saale. Von dem Glocken-Brunnen erzählt man die Fabul, dass einst eine Glocke, so nicht getaufft, aus dem Wallenschen Thurm weggeflogen und hier versunken, und daher hat der Brunnen den Namen bekommen“ (nein keine Tippfehler, so war die Schreibweise)

mehrere Tümpel an der Straße Glockensee

Die Teerstraße führt uns durch die Felder wieder zurück nach Ockensen. Hier sind nicht nur die Mosterei mit Scheunencafe (ohne Pandemie hätte es auch für uns Stücke der fantastischen Törtchen gegeben) sehenswert sondern auch einige alte Fachwerkhäuser des Ortes. Haltet doch mal nach dem alten Backhaus (privat) hinter einem Wohnhaus direkt am Bach Ausschau oder der Werkstatt eines Steinmetzes. Der Rest des Weges zurück zum Parkplatz zieht sich durch eine – naja – eher wenig sehenswerte 60er Jahre Wohnsiedlung aber man kann den Blick ja auch über den Hang des Iths wandern lassen 🙂

Wer auf dem Rückweg wie wir noch ein bisschen Verpflegung kaufen möchte, dem sei der Hofladen Hof Stichnothe in Wallensen zu empfehlen. Rund um die Uhr in einer Scheune findet ihr hier Fleisch, Wurst, Eier, Nudeln, Honig und vieles mehr (nee für die Werbung kriegen wir nix aber wir finden sowas toll)

Quellen:

  • Buch „Die Juden in den Dörfern des Fleckens Salzhemmendorf“ von Bernhard Gelderblom
  • Schautafeln vor Ort
  • www.kirchengemeindelexikon.de

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