Zwischen Bisperode und Voremberg
Wir starten die Tour in Bisperode am Windmühlenweg (wo es keine gibt) und laufen bergan am Flugplatz (gegründet 1969) entlang.
Seht Euch um! Ein Großteil der Ith Kette ist zu sehen, der Nesselberg, der Deister, vor uns der Schecken und Hasselburg. Den Kamm erreichend, erblickt man im Tal das verlässlich qualmende Grohnde, den Emmerthaler Bückeberg, dahinter das Lipper Bergland.
Fernblick am Ith
Wir kommen nach Voremberg, das in einer Talsenke liegt, die Häuser schmiegen sich an die Hänge, hindurch fließt der Hastebach. Laut einer Wanderkarte und einem Gedenkstein wurde es 1247 gegründet. Das ist so nicht ganz richtig: es wurde 1247 erstmals urkundlich erwähnt, als die Nonnen des 7 Jahre vorher gegründeten Zisterzienserklosters umzogen in den Kreis Northeim. Bestanden haben muss hier also vorher schon eine kleine Siedlung.
Vom ehemaligen Kloster soll laut Geschichtsseiten im Internet nichts mehr zu finden sein. Wir glauben, doch: der Ort ist durchzogen von Fischteichen, vielleicht ein Überbleibsel des Klosterlebens, waren sie doch typisch für solche Anlagen. Interessant zu wissen wäre noch, ob es sich bei dem tiefen Einschnitt in der Böschung (folgendes Bild linker oberer Rand) um einen alten Steinbruch oder einen Erdfall handelt. In dem Buch „Erläuterungen zur Geologischen Karte Preußen und benachbarter Bundesstaaten“ von 1917 ist zumindest von 3 Mergelgruben im Ort die Rede.
Möchte man sich den Ort ansehen, findet man eine (leider unhübsch verputzte) Kirche aus dem 16. Jahrhundert, unzählige Brunnen und Pumpen in den Gärten und einen Essigbaum – besonders im Herbst eine Augenweide.
Durch einen Hohlweg machen wir uns rechts der Durchfahrtsstraße wieder hinauf in das Waldgebiet Hasselburg (ohne Burg) und kommen am Waldrand entlang wieder auf Bisperode zu. Der Sage nach treibt hier ein Höllenhund mit Kette und Glutaugen sein Unwesen. Ob das der selbe Werwolf ist, von dem die Sagen berichten, dass er das Gebiet des heutigen Friedhofs umkreisen soll – keine Ahnung also obacht! In Bisperode führt nämlich der erste Gang zum Friedhof am süd-östlichen Ende des Ortes. Hier finden wir etwas ganz besonderes: zwei jüdische Grabsteine auf einem christlichen Friedhof. Wie kann das sein?
Die jüdische Kaufmannsfamilie Spiegelberg ist im Ort seit 1781 bezeugt. Die Familie war auch im benachbarten Lauenstein und in Hameln ansässig und sei vermutlich von dort nach Bisperode gekommen. In französischer Zeit nahmen sie trotz Verbot den adeligen Namen Spiegelberg nach der Grafschaft Spiegelberg an. 1850 gehörten zu dem Haus (heute Voremberger Str. 11) ein wenig Land, Waldanteile und eine Wiese. Eine vorbeiführende Straße erhielt daher auch den Namen „Jüdgrund“. Zu dieser Zeit lebten 7 Menschen jüdischen Glaubens in Bisperorde. Als Moses und Esther Spiegelberg starben, fanden beide ihre letzte Ruhestätte (ת‘ נ‘ צ‘ ב‘ ה‘) als Teil der Ortsgemeinschaft auf dem christlichen Friedhof.
Das entspricht nicht dem jüdischen Ritualgesetz, das Bestattungen auf „reinem Boden“ vorsieht aber für die Einrichtung eines eigenen Friedhofes gab es bei der begrenzten Zahl der Familienmitglieder keinen Anlass. Nach früheren Aussagen soll sich das eigentliche Grab ursprünglich mehr zum Hang hin an der Straße befunden haben, umgeben von einem gußeisernen Zaun. Das 3. Reich haben die Gräber unbeschadet überstanden.
1986 wurden auf Anweisung des Ur-Ur-Enkels von Ehepaar Spiegelberg die Steine aus Sorge vor Zerstörung flach auf die Erde gelegt, was ihre hebräische Inschrift lange verdeckte. Erst 2013 wurden sie an ihren heutigen Platz, nahe des Eingangs gebracht und (wie so oft) unter Mithilfe des Historikers Bernhard Gelderblom mit einer Infotafel versehen.
Direkt am Rande des Friedhofs zweigt ein kleiner Weg ab und ein kaum lesbares Holzschild verweist auf die nächste Sehenswürdigkeit: das Wasserschloss Bisperode. Auch eines dieser Mysterien: wie oft war man eigentlich schon durch den Ort gefahren aber dass sich hier ein so sehenswertes Schloss versteckt, war nicht zu ahnen. Ausgeschildert ist es jedenfalls nicht für Vorbeifahrende.
Erstmals wurde hier 1491 ein adeliges Gut erwähnt. Die heutige dreiflügelige Anlage ist von 1694 und selbst bei grauem Novemberwetter sehenswert. Ein Besuch bei Sonnenschein muss da nochmal nachgeholt werden.
Panoramabild
Wer sich für Architektur interessiert findet hier ionischen Ädikula, Akanthusgeschlingen und „leicht geschweiften Kronen, die als Schornstein dienen“. Aaah ja. Wir finden es einfach nur hübsch.
Noch ein Wort zur Herkunft des Namens Bisperode. 1219 als Bischopingerothe erstmals urkundlich erwähnt ist es – wer könnte es ahnen – die Rodungssiedlung eines Bischoffs. Noch bevor es hier eine wehrhafte Wasserburg gab, wurde im 11. Jahrhundert auf einer Anhöhe ein Wehrturm erbaut – heute noch erhalten als klobiger Kirchturm der Gemeinde. Davon zeugt eine heute zugemauerte Tür mit aus der Wand schauenden Knaggen, das war der Eingang, hinein kam man nur mit einer Leiter. Wir haben übrigens mal gelesen, dass nach mittelalterlicher Logik das Böse/der Teufel im Westen sitzt und Kirchen daher einen schützenden Turm im Westen besitzen. Ob diese Aussage stimmt, müssten wir mal Profis fragen.
1259 wird dann ein „Arnoldus de Bispingerothe“ als Priester im Ort erwähnt. Der jetzige Kirchenbau neben dem mittelalterlichen Wehrturm ist ein verputzter, barocker Bruchsteinsaalbau. Südlich am Turm befindet sich das Erbbegräbnis der Freiherren von Hake-Diedersen, ein älteres soll sich unter dem Schiff vor dem Altarraum befinden (beides würden wir gerne mal von innen betrachten).
Laut einer Beschreibung soll es über ein Epitaph in der Kirche folgende seltsame Geschichte geben: „Das älteste zeigt eine reizende junge Frau mit der Umschrift: „Anno 1610, den 23. Tag des Dezembers ist die edle und tugendreiche Anna Katharina von Haxthausen, Wilhelm von Hakes eheliche Hausfrau im Herrn selig entschlafen, deren Seele Gott gnädig sei. Alters 23 Jahre. „Sie starb nach der Geburt ihres zweiten Sohnes. Ihr Ehemann ist im Dreißigjährigen Krieg in den sichereren Werder’schen Edelhof geflüchtet, wurde dort aber im Schlaf durch ein Versehen umgebracht. Seit diesem Vorfall übernachtet auch heute noch kein Hake mehr in Bisperoder Schloss.“
Aus Versehen? So so… ?
Noch kleine, wenn auch ernste Anekdote: eine der Glocken aus Bronze aus dem Jahr 1659 war im 2. Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgeliefert worden, konnte aber 1947 vom Glockenfriedhof in Hamburg zurückgeholt werden.
Quer durch den Ort und über den Bach Remte, kehren wir zu unserem Ausgangspunkt zurück. Und steigt schnell ins Auto ein – es soll hier auch Elfen geben, die in Nebelschwaden gehüllt Menschen in ihr unterirdisches Reich zerren.
Quellen:
Homepage des Ortes Bisperode http://www.bisperode.de
Heimatseite von Voremberg www.voremberg.de
Podcast Ithsagen www.ith-sagen.de
Buch: „Die Juden in den Dörfern des Fleckens Salzhemmendorf“ von Bernhard Gelderblom
Schön, etwas unheimlich – also ich würde niemals unbegleitet diese Tour machen. ? Da ich langsam wie eine Schildkröte bin, frage ich an, ob man die Tour in zwei Runden sinnvoll aufteilen kann.
VG Elke